AG Stendal, AZ: 3 C 993/07 (3.3) vom 27. März 2009 – Die Beauftragung des eigenen Sachverständigen bei gleichzeitiger Beauftragung der DEKRA durch die HUK Coburg Versicherung begründet keinen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht

Amtsgericht Stendal, AZ: 3 C 993/07 (3.3), verkündet am 27. März 2009

Ein Unfallopfer klagt den Schadensersatzanspruch aus der Differenz des DEKRA Gutachten zum Gutachten SV Zimper, weiteres Schmerzensgeld sowie weitere Rechtsanwaltskosten ein.

Das Amtsgericht Stendal hat sodann im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 20.02.2009 am 27.03.2009 für

Recht erkannt:

Die Beklagte (HUK-Coburg Versicherung) wird verurteilt, an den Kläger 881,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 06.04.2007 auf einen Betrag in Höhe von 493,34 € und seit dem 01.11.2007 auf einen Betrag in Höhe von 881,34 € zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Inanspruchnahme von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 66,89 € freizustellen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 80 % und der Kläger 20 %.

 

Interessant als auch  richtungsweisend für alle Rechtsanwälte, welche noch immer gedankenlos sich mit der Zuarbeit des in Anspruch zu nehmenden Versicherers vom Unfallgegner begnügen, dürften die Ausführungen des Richters  im  Rechtsstreit mit folgendem Tatbestand sein:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, bei der die Haftung dem Grunde nach unstreitig ist. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte den vom Kläger beauftragten Sachverständigen ebenfalls zu erstatten hat und über die Höhe des materiellen und immateriellen Schadens. Am Fahrzeug entstand ein Totalschaden und der Kläger erlitt ein HWS Schleudertrauma.

Ausweislich unseres Gutachtens ergaben sich für das Fahrzeug unseres Auftraggebers ein Wiederbeschaffungswert von 1.550,00 €, ein Restwertangebot war im hiesigem Territorium nicht zu erzielen, sodass Verschrottungskosten von 80,00 € anzusetzen waren.

Das unsererseits geforderte Honorar von 293,34 € wurde von der HUK-Coburg dem Kläger nicht erstattet. Hierzu berief sich die Beklagte auf das von ihr zusätzlich in Auftrag gegebene Gutachten bei der DEKRA Automobile GmbH. Hier wurde der Wiederbeschaffungswert mit 1.500 € angegeben, ein Restwertangebot soll in Höhe von 150,00 € vorgelegen haben.

Es erfolgte somit die Regulierung durch den Versicherer auf Basis ihres bzw. DEKRA- Zahlenwerkes. Berücksichtigt wurde weiterhin ein ebenfalls selbst bezifferter Schmerzesgeldanspruch in Höhe von 400,00 €.

Zu Klage kamen somit 493,34 € aus dem Fahrzeugschaden und ein weiterer  Schmerzensgeldanspruch von 500,00 € sowie der Freistellungsantrag von Rechtsanwaltskosten in Höhe von  66,89 €.

Die Beklagte beantragt:

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dem Kläger stehe über den bereits gezahlten Betrag kein weiterer immaterieller oder materieller Schadensersatzanspruch zu.

Die Sachverständigenkosten Zimper seien wegen Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht nicht erstattungsfähig. Am 10.01.2007 habe der Kläger bei der Beklagten angerufen. Anlässlich dieses Gesprächs sei mit dem Kläger vereinbart worden, dass die Beklagte einen Sachverständigen beauftragen solle und nicht der Kläger. Das Gespräch habe der Kläger mit dem Zeugen M. G. von der Schadenaußenstelle der Beklagten in Magdeburg geführt.

Der von der Beklagten beauftragte Sachverständige der DEKRA Automobil GmbH Herr XXX besichtigte dann das Fahrzeug des Klägers am 11.01.2007 bei der Firma XXX. Anlässlich der Besichtigung habe der Inhaber Herr H. ein Restwertangebot in Höhe von 150,00 € incl. MWST für das Fahrzeug des Klägers, amtl. Kennz. XXX, abgegeben.

Der Kläger sei aufgrund der Einigung zwischen den Parteien nicht berechtigt gewesen, zusätzlich einen Sachverständigen zu beauftragen. Es verbleibe daher, dass der Wiederbeschaffungswert 1.500,00 € betrage und ein Restwert von 150,00 € zu berücksichtigen sei. Der von der Beklagten beauftragte DEKRA-Gutachter, Herr XXX, habe entsprechende Restwertangebote gehabt und hätte diese dem Kläger mitteilen können. Es verbleibe daher bei dem regulierten Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert in Höhe von 1.350,00 €.

Verschrottungskosten seien nicht zu berücksichtigen. Diese Position habe lediglich der Sachverständige Zimper ausgeführt. Der festgestellte Restwert von 150,00 € schließe Verschrottungskosten aus. Die Verschrottungskosten seine auch nicht nachgewiesen.

Unter Berücksichtigung der unfallbedingten Verletzungen des Klägers sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 400,00 € angemessen. Ausweislich des von ihr selbst eingeholten und bezahlten Arztgutachtens der Gemeinschaftspraxis XXX sei beim Kläger eine HWS-Distorsion diagnostiziert und eine Arbeitsunfähigkeit von XXXX festgestellt worden. (…….)

Die geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seien in Höhe von 316.18 € nicht fällig. Auf Rechtsanwaltskosten seien bereits 249,29 € gezahlt worden. Ein weitergehender Anspruch sei nicht dargelegt.
(…..)

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Kläger kann die Beklagte mit Erfolg auf weiteren materiellen und immateriellen Schadensersatz in tenoriertem Anspruch nehmen (§ 3 Pflichtversicherungsgesetz, §§ 249, 823 BGB i. V. m. § 3 (Geschwindigkeit) und § 4 (Abstand) StVO in Anspruch nehmen. Nach dem Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249 BGB) hat die Beklagte dem Kläger den durch den Verkehrsunfall entstandenen Schaden über dem bereits regulierten Schaden hinaus zu ersetzen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt hinsichtlich der Position Sachverständigenkosten Zimper kein Verstoß des Klägers gegen das Gebot der Schadensminderungspflicht vor. Nach dem Ergebnis der Beweisausnahme ist die zwischen den Parteien streitige Behauptung, es sei mit dem Kläger vereinbart worden, dass die Beklagte einen Gutachter beauftragt, nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen Die Aussage des Zeugen G. reicht im Ergebnis für die volle Überzeugung des Gerichts nicht aus. Auch unter Berücksichtigung der von ihm mitgebrachten Aufzeichnungen in Form eines Computerausdrucks, konnte er sich nicht an Einzelheiten des Gesprächs erinnern. Soweit er bekundete, dass die Beklagte üblicherweise kein Sachverständigengutachten beauftragt, wenn dies nicht vereinbart sei, reicht dies nicht, um die grundlegenden Elemente eines Vertrages, nämlich übereinstimmende Willenserklärung im Hinblick auf den zu bestellenden Sachverständigen, festzustellen. Der Kläger war daher berechtigt, zur Feststellung des Unfallschadens selbst einen Sachverständigen zu beauftragen. Die Beklagte hat ihm daher auch die Position Sachverständigenkosten in Höhe von 293,34 € zu 100 % zu erstatten.

Die Beklagte hat dem Kläger ebenfalls auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens Zimper den dort festgestellten Wiederbeschaffungswert von insgesamt 1.550,00 € abzüglich des bereits gezahlten Wiederbeschaffungswertes von 1.350,00 €, mithin 200,00 € zu erstatten. Die Beklagte kann dem Kläger nicht mit Erfolg einen Restwert in Höhe von 150,00 € entgegenhalten. Die Firma XXX, die ein Restwertangebot in Höhe von 150,00 € angeboten haben soll, was zwischen den Parteien streitig ist, hat das Fahrzeug tatsächlich nicht gekauft. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auf entsprechende Angebote der DEKRA hinweist, ist dies unerheblich. Es sind keine konkreten Gebote gegenüber dem Kläger abgegeben worden. Vielmehr wurde das Fahrzeug über die Firma XXX verwertet, mithin verschrottet, wie sich aus dem vom Kläger vorgelegten Verwertungsnachweis von 02.02.2007 mit der laufenden Nummer XXX ergibt. Hierfür sind Kosten in Höhe von 80,00 € angefallen. Diese Kosten zur Schadenfeststellung sind Teil des zu ersetzenden Schadens (vgl. Heinrich in Palandt, BGB, 68 Aufl. § 249 RN 40 m.w.N.). Ein Verstoß des Klägers gegen die Schadensminderungspflicht lässt sich daraus nicht ableiten. Das Gutachten Zimper ist nicht erkennbar falsch, so dass der Kläger die Verwertung veranlassen durfte, nach dem kein konkretes Ankaufangebot abgegeben wurde und der SV Zimper auch keinen Restwert feststellte.

Der Freistellungsantrag in Höhe von jetzt noch 66,89 € ist unter dem Gesichtspunkt der Rechtsverfolgungskosten ebenfalls begründet: (…..)

Die Schmerzensgeldforderung des Klägers ist in der Höhe weiterer 300,00 € begründet. (……)

Somit kann der HUK Coburg Versicherung wieder einmal eine Verletzung der Schadensminderung attestiert werden, bestehend u.a.  aus unnötigen Sachverständigenkosten, zu zahlen an die DEKRA Automobile, nur um als Haftpflichtversicherer  auf  ein Recht zu verzichten, welches  allein dem  Verkehrsunfallopfer zusteht.

Der Artikel erschien bereits Samstag, 18.04.2009 bei Captain-HUK, wurde bisher  13618 gelesen und erhielt  16 Kommentare

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