Der Sachverständige hat den Fahrzeugwert aus der Position seines Auftraggebers zu ermitteln – AG Haldensleben, AZ: 17 C 1174/09

Der Haftpflichtversicherer des Schadenverursachers (HUK Coburg) hatte die Aktivlegitimation trotz vorgelegter Abtretungserklärung an Erfüllungs statt des Sachverständigen bestritten. Weiterhin wurde die Verwertbarkeit des Gutachtens, aufgrund des darin enthaltenen Datenschutz- / Urheberrechtshinweises, in Frage gestellt. Somit waren wir gezwungen, unsren Anspruch -Erstattung des Sachverständigen-Honorars – gerichtlich geltend zu machen.

Der Richter führte  am 23.09.2010 unter dem AZ: 17 C 1174/09 wörtlich aus:

Der Gutachtenumfang wird durch den Gutachtenauftrag und nicht durch das Interesse des Haftpflichtversicherers des Unfallgegners an einer besonders kostensparenden Schadenabrechnung bestimmt. Auch der Gutachter hat daher nicht die optimale Verwertungsmöglichkeit unter Einschluss von Online-Börsen zu ermitteln (siehe zum ganzen BGH, Urt. v. 29.04.2010 – I ZR 68/08 – zit. nach Juris).

Amtsgericht Haldensleben
Dienstgebäude Wolmirstedt
17 C 1174/09

verkündet am: 23.09.2010

Im Namen des Volkes

– Urteil –

In dem Rechtstreit

des Herrn R. Z.

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte K.-M. und Kollegen, D. M.

gegen

die HUK-Coburg-Allgemeine Versicherung AG, vertr. d. d. Vorstand,   Willi-Hussong-Str. 2,
96442 Coburg

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte M. & M.

wegen Sachverständigenkosten

hat das Amtsgericht Haldensleben – Zweigstelle Wolmirstedt – auf die mündliche Verhandlung vom 02.09.2010 durch den Richter am Landgericht …

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 367,71 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 15.11.2008 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 Prozent des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist auch begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Betrag in Höhe 367,71 €. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 823 Abs.1 und 2, 249 ff, 398 BGB. Danach kann der Kläger von der Beklagten die Zahlung seines Gutachterhonorars verlangen, nachdem die Geschädigte ihren Anspruch gegen die Beklagte an den Kläger abgetreten hat.

Ohne Erfolg wendet sich die Beklagte in diesem Zusammenhang gegen die Aktivlegitimation des Klägers. Wie sich aus der genannten Abtretungsvereinbarung ergibt, hat zwar nicht die Geschädigte selbst diese Erklärung unterschrieben. Für die Geschädigte L. hat jedoch ihre Tochter als Vertreterin gehandelt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Tochter die Abtretungserklärung unterschrieben hat. Dabei hat sie erkennbar für die Geschädigte gehandelt.

Der Kläger hat das von der Geschädigten bei ihm in Auftrag gegebene Gutachten erstellt und der Beklagten zur Abrechnung des Schadens vorgelegt. Die Beklagte kann die Zahlung der Sachverständigenkosten nicht unter Hinweis auf die vom Kläger in seinem Gutachten angefügte Datenschutzklausel verweigern, in der es wörtlich heißt:

„Auftragsgeber und Unterzeichner des vorliegenden Gutachtens untersagen hiermit insbesondere der eintrittspflichtigen Schädigerpartei, Daten und Licht­bilder, die u. a. Schadensart und Schadensumfang des gegenständlichen Fahrzeuges dokumentieren, per Internet (z. B. in Fahrzeugbörse) national und/ oder international zu veröffentlichen bzw. an unbeteiligte Dritte weiterzugeben. Veröffentlichungen, Vervielfältigungen oder Nachdrucke jeglicher Art, auch auszugsweise, sind nur mit schriftlicher Genehmigung des Verfassers gestattet, wobei insbesondere Lichtbilder auch nach vollständiger Bezahlung noch dem gesetzlichen Urheberrechtsschutz unterliegen,“

Zunächst einmal ist aus dem Gesamtzusammenhang erkennbar, dass diese Datenschutzklausel der Beklagten nicht verwehren sollte, den Inhalt und die Aussage des Gutachtens, und zwar auch durch eigene Sachverständige, zu überprüfen. Dies wird durch die Formulierung „unbeteiligter Dritter“ deutlich. Zu diesen „unbeteiligten Dritten“ gehören die Beklagte und das von ihr mit der Abwicklung des Schadensfalles beauftragte Personal nicht.

Die Beklagte kann aber auch nicht geltend machen, dass für sie das Gutachten nicht brauchbar sei, weil sie es nicht uneingeschränkt nutzen könne. Vor allem sei ihr eine Veröffentlichung im Internet nicht möglich, so dass sie etwa keine weiteren Restwertangebote auf dem nationalen bzw. internationalen Automarkt einholen könne. Denn zu einer solchen Verwertung des Gutachtens ist die Beklagte grundsätzlich nicht befugt.

Der Zweck des zwischen der Geschädigten und dem Kläger geschlossenen Vertrages zur Erstellung eines Gutachtens besteht darin, dass die Geschädigte gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners zur Durchsetzung ihrer Schadensersatzansprüche in die Lage versetzt wird. Dieser Zweck erfordert es nicht, dass der Beklagten ein Recht zur Veröffentlichung digitalisierter Lichtbilder des Unfallfahrzeugs im Internet eingeräumt wird. Das Interesse der Beklagten, sich durch Einholung von Vergleichsangeboten zusätzlich abzusichern, hat den Zweck des zwischen dem Kläger und seiner Auftraggeberin geschlossenen Vertrages nicht bestimmt. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass sowohl der Geschädigte als auch der Kläger als Kfz-Sachverständiger dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners nicht verpflichtet sind, bei der Ermittlung des Restwertes den Kaufpreis zu berücksichtigen, der für das unfallgeschädigte Fahrzeug in einer Restwertbörse im Internet geboten wird. Daher kann auch nicht angenommen werden, der Kläger oder aber seine Auftraggeberin wären dazu verpflichtet gewesen, der Beklagten das Recht einzuräumen, die in dem Gutachten enthaltenen Fotografien auch in Internet-Restwertbörsen einzustellen. Denn im Zusammenhang mit dem Restwert ist vom Sachverständigen ein Wert anzusetzen, den der Geschädigten auf den allgemein zugänglichen regionalen Markt für das unfallgeschädigte Fahrzeug erzielen kann. Der Geschädigte muss sich dagegen nicht einen höheren Restwert anrechnen lassen, der sich erst nach Recherchen auf dem Sondermarkt über Internet-Restwertbörsen und spezialisierte Restwertkäufer ergibt. Dies deshalb nicht, da er diesen Preis bei einer In-Zahlung-Gabe oder einem Verkauf auf dem ihm zugänglichen allgemeinen regionalen Markt nicht erzielen kann. Deshalb müsste er sich anderenfalls entweder mit einem geringen Schadensersatz abfinden oder seinerseits zeitaufwendig nach besseren Verwertungsmöglichkeiten suchen; dazu ist er aber nicht verpflichtet. Diese Grundsätze gelten auch für die Begutachtung durch einen vom Geschädigten eingeschalten Sachverständigen. Auch der Sachverständige hat den Fahrzeugwert aus der Position seines Auftraggebers zu ermitteln. Er hat daher gleichfalls auf den Kaufpreis abzustellen, den der Geschädigte auf den ihm regionalen zugänglichen allgemeinen Markt für das unfallgeschädigte Fahrzeug erzielen kann. Der Gutachtenumfang wird durch den Gutachtenauftrag und nicht durch das Interesse des Haftpflichtversicherers des Unfallgegners an einer besonders kostensparenden Schadenabrechnung bestimmt. Auch der Gutachter hat daher nicht die optimale Verwertungsmöglichkeit unter Einschluss von Online-Börsen zu ermitteln (siehe zum ganzen BGH, Urt. v. 29.04.2010 – I ZR 68/08 – zit. nach Juris).

Nach diesen Grundsätzen ist es der Beklagten verwehrt, die Zahlung der Sachverständigenkosten mit einem Hinweis auf eine eingeschränkte Verwertbarkeit des Gutachtens zu verweigern. Denn auf die von ihr (auch) beabsichtigte Nutzung des Gutachtens hat sie keinen Anspruch.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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