Die Streitverkündung an den Sachverständigen bei einer Abtretung an Erfüllung statt ist ohne jeden Wert ( LG Magdeburg 2 T 300/11 vom 15.11.2011 – AG Haldensleben, Geschäfts-Nr.: 17 C 404/09)

Das Urteil des AG Haldensleben, Zweigstelle Wolmirstedt, vom 29.03.2010 (Az: 17 C 404/09) wurde hier bereits eingestellt. Doch wer hätte gedacht, dass „Die unendliche Geschichte“ erst nach der Urteilsverkündung geschrieben werde  sollte:

Der Prozessbevollmächtigte der Geschädigten meinte, dem Sachverständigen den Streit verkünden zu müssen, nachdem die Schädigerseite Einwände gegen das Gutachten sowohl vom Inhalt her als auch von den Kosten entgegen hielt. Allerdings hatte die anwaltliche Vertretung der Geschädigten in Kenntnis einer Abtretung an Erfüllung statt die Sachverständigenkosten für seine Mandantin geltend gemacht, so dass die absurde Situation entstand, dass der Sachverständige dem Rechtsstreit auf Seiten der Geschädigten beitrat, jedoch darauf hinweisen musste, dass der Geschädigten die Sachverständigenkosten nicht mehr zustanden.

Der Klage wurde daher lediglich teilweise stattgegeben, das AG Haldensleben versäumte es jedoch, bei der Kostenentscheidung die Nebenintervention zu berücksichtigen. Der Streithelfer beantragte daraufhin eine Berichtigung des Urteils in der Weise, den Tatbestand dahingehend zu berichtigen, dass er auf Seiten der Klägerin beigetreten sei und danach das Urteil gem. § 321 ZPO dahin zu ergänzen, dass der Beklagte die Kosten der Nebenintervention zu tragen habe. Das Gericht erteilte zunächst den Hinweis, dass es sich hierzu außerstande sah unter Hinweis auf §S 100, 101 II ZPO. Nach entsprechender Präzisierung des Antrags beschloss die Berichtigung des Tatbestandes des Urteils, wies aber die Anträge auf Berichtigung des Tenors sowie auf Wiederaufnahme des Verfahrens ab, da eine Berichtigung nach § 321 ZPO nicht in Betracht komme, da es sich nicht um einen offensichtlichen Fehler handele. Der Antrag nach § 321 ZPO sei verfristet.

Gegen diesen Beschluss wurde Beschwerde eingelegt, das Gericht übersandte die Sache ans Landgericht. Das LG hob die Vorlageverfügung des AG auf und erteilte dem AG rechtliche Hinweise (!), wie in der Sache zu verfahren sei. Das AG erklärte darauf hin, nicht abhelfen zu können und schickte die Sache wieder ans LG. Auch diese Vorlageverfügung hob das LG auf und wies das AG darauf hin, dass eine Entscheidung nach § 321 ZPO und nicht nach §321 a ZPO zu treffen sei.

Nachdem das AG die Akte mit einer Nichtabhilfeverfügung erneut dem LG übersandt hatte, entschied das LG nunmehr selbst:

Landgericht Magdeburg      Geschäfts-Nr.:  17 C 404/09

Verkündet laut Protokoll am:  15.11.2011 2 T 300/11

Ergänzungsurteil

In dem Rechtsstreit (……) hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg durch die Richterin am Landgericht ……. als Einzelrichterin im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 28.10.2011 für Recht erkannt:

Das Urteil des Amtsgerichts Haldensleben vom 29.3.2010, Geschäftsnummer 17 C 404/09, wird im Tenor im Kostenpunkt wie folgt ergänzt:

Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten trägt der Beklagte zu 70 %, im Übrigen trägt sie der Nebenintervenient.

Tatbestand

Nachdem ihm der Streit verkündet worden war, ist der Streitverkündete mit Schriftsatz vom 12.3.2010 dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten. Mit Urteil vom 23.9.2010 hat das Amtsgericht in der Sache entschieden. Es hat dem Beklagten 70 %, der Klägerin 30 % der Kosten des Rechtsstreits auferlegt, aber keine Entscheidung über die Kosten der Nebenintervention getroffen.

Das Urteil ist dem Vertreter des Nebenintervenienten am 4.11.2010 zugestellt worden. Mit am 8.11.2010 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Nebenintervenient beantragt, den Tatbestand des Urteils dahingehend zu berichtigen, dass er am 12.3.2010  auf Seiten der Klägerin beigetreten sei und danach das Urteil gem. § 321 ZPO dahin zu ergänzen, dass der Beklagte die Kosten der Nebenintervention zu tragen habe.
Mit Verfügung vom 30.12.2010 hat das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass der Tatbestand ergänzt werden könne, hat aber unter Verweis auf § 100, 101 II ZPO Bedenken dahingehend geäußert, dass der Beklagte die Kosten der Nebenintervention zu tragen hat.
Mit Schriftsatz vom 11.2.2011 hat der Nebenintervenient um die Berichtigung des Tatbestandes gebeten und den Antrag auf anschließende Urteilsergänzung dahingehend präzisiert, dass der Beklagte die Kosten der Nebenintervention in Höhe von 70 % zu tragen habe.
Mit Beschluss vom 4.5.2011 hat das Amtsgericht den Tatbestand berichtigt, die Anträge auf Berichtigung des Tenors sowie auf Wiederaufnahme des Verfahrens aber abgewiesen. Eine Berichtigung nach § 321 ZPO komme nicht in Betracht, weil es sich nicht um einen offensichtlichen Fehler handele. Der Antrag nach § 321 a ZPO sei verfristet.
Gegen den ihm am 12.5.2011 zugestellten Beschluss hat der Nebenintervenient am 26.5.2011   Beschwerde eingelegt. Seines Erachtens sei eine Ergänzung nach § 321 ZPO möglich und begründet.

Das Amtsgericht hat ohne weiteren Zusatz die Sache dem Landgericht übersandt.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 15.6.2011 die Vorlageverfügung aufgehoben und dem Amtsgericht rechtliche Hinweise gegeben, wie in der Sache zu verfahren ist.
Das Amtsgericht hat mit dem Vermerk, es könne gem. den §§ 319 Abs. III, 321 a IV 4 ZPO nicht abhelfen, die Sache dem Landgericht zurückgeschickt.
Auch diese Vorlageverfügung hat die Kammer aufgehoben und hat mit Beschluss vom 29.6.2011 darauf hingewiesen, dass vorliegend eine Entscheidung nach § 321 ZPO und
nicht nach § 321 a ZPO zu treffen sei.
Das Amtsgericht hat die Akten unter dem 14.9.2011 mit einer Nichtabhilfeverfügung der Kammer erneut übersandt.
Der Anregung der Kammer, im Wege des Beschwerdeverfahrens eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren zu treffen, sind die Parteien gefolgt und haben ihr Einverständnis
schriftsätzlich erklärt. Bis zum Ablauf der gesetzten Schriftsatzfrist (28.10.2011) sind keine weiteren Schriftsätze eingegangen.

Entscheidungsgründe

Die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrages auf Ergänzung des Urteils ist zulässig, Über den Ergänzangsantrag ist gem. § 321 Abs. 3, 4 ZPO nach mündlicher Verhandlung oder im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO durch Urteil zu entscheiden. Entscheidet das Gericht zu Unrecht durch Beschluss, ist dieser nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Das Rechtsmittelgericht hat dann allerdings in das richtige Verfahren überzugehen (vgl. Zöiier-Heßler, a.a.O., vor § 511 Rdn. 33). Da das Amtsgericht sich gehindert gesehen hat, im Wege der Abhilfe eine Entscheidung durch Urteil zu treffen, erfolgt diese nunmehr durch die Kammer.
Der Ergänzungsantrag nach § 321 ZPO ist statthaft und innerhalb der Zweiwochenfrist nach Zustellung des erlassenen Urteils gestellt worden.
Da es zunächst der Tatbestandsberichtigung bedurfte, begann die Frist erst mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses (vgl. Zöller Vollkommer, a.a.O., § 321 Rdn. 7). Der Beschluss vom 4.5.2011 wurde nach Angabe des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 12.5.2011 zugestellt, die Beschwerde mit dem (neuen) Antrag auf Urteilsergänzung ging am 26.5.2011 bei Gericht ein. Wollte man auf die Zustellung des Urteils abstellen, so wäre die Frist ebenfalls gewahrt, weil das erstinstanzliche Urteil an die Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 4.11.2010 zugestellt wurde und der Antrag auf Tatbestandsberichtigung und Urteilsergänzung am 8.112010 beim Amtsgericht einging. Dass dieser Antrag nach § 321 ZPO wegen der §§ 100, 101 ZPO teilweise unbegründet war, ist für die Fristwahrung unerheblich.
Der Antrag auf Urteilsergänzung ist auch begründet.
Grundsätzlich ist eine Urteilsergänzung gem. § 321 ZPO möglich, wenn das Gericht versehentlich nicht über die Kosten der Streithilfe entschieden hat (vgl. Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 321 Rdn. 3 m. w. N.). Davon, dass hier ein Versehen vorlag, ist auszugehen: Zum Einen hat das Amtsgericht den Beitritt des Streitverkündelen im Tatbestand nicht erwähnt, was bereits dafür spricht, dass es den Beitritt übersehen hat. Zum Anderen kann davon ausgegangen werden, dass dem erkennenden Richter die §§ 100, 101 ZPO bekannt waren. Beide Aspekte zusammen genommen deuten auf ein Versehen hin.
Die Kosten der Nebenintervention waren daher entsprechend der vom Amtsgericht angenommenen Quote von 70 % zu Lasten des Beklagten dem Beklagten aufzuerlegen.

Fazit: Die Streitverkündung an den Sachverständigen bei einer Abtretung an Erfüllung statt ist ohne jeden Wert.

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