Mit Einholung eines Kostenvoranschlages, erstellt durch einen Kfz-Sachverständigen, verstößt der Geschädigte nicht gegen die Schadensminderungspflicht

Die Kosten für den Kostenvoranschlag sind als Aufwand zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung als erforderlich und erstattungsfähig im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen.  So sieht es zurecht das Gericht. Die Aufwendungen für Kostenvoranschläge wahren das Verhältnis zur Schadenhöhe bis zur Bagatellschadengrenze laut BGH-Urteil   VI ZR 365/03 vom 20.11.2004,  zwischen 500,00 und 750,00 €. Der Geschädigte muss sich vom Schädiger nicht auf einen bei der Reparatur – möglicherweise – zu verrechnenden Kostenvoranschlag einer Werkstatt verweisen lassen. Dieses Urteil ist als Ergänzung des Urteils AG Magdeburg, AZ: 163 C 2534/11 (163) vom 04.09.2012   anzusehen.

 

AZ: 2 C 2391/13

Amtsgericht Böblingen     

Verkündet am 28.01.2014

In dem Rechtsstreit wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Böblingen

durch die Richterin am Amtsgericht am 28.01.2014 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO

für Recht erkannt:

1.Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von dem Gebührenanspruch des ingenieurbüros         in Höhe von 70,00 € freizustellen.

2.Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von dem Gebührenanspruch seinen Prozessbevollmächtigten in Höhe von 37,13 € freizustellen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4.. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 70,00 €

Tatbestand

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gem. § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverstandigengebühren in Höhe von 70,00 € gem. §§ 315 WG, 3 a PfIVG, 7, 17, 18 StVG, 823,249 ff. BGB zu.

1.

Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.

2.

Die Beklagte haftet dem Kläger auch für die Kosten des Kostenvoranschlages.

Grundsätzlich hat der Schädiger die Kosten zu ersetzen, soweit diese zu einerzweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind. Nur dann, wenn der Geschädigte Kosten produziert, die ein vernünftig Handelnder in seiner Situation nicht verursachen würde, geht dies nicht zu Lasten des Schädigers.

a)

Soweit diesbezüglich in der Rechtssprechung eine Bagatellgrenze in der Größenordnung von 700,00 € angesetzt wird, lässt diese den hier vorliegenden Schadensersatzanspruch des Klägers nicht entfallen.

Diesbezüglich ist bereits festzustellen, dass es sich dabei nicht um einen starren Grenzbetrag handelt, sondern dieser in der Rechtssprechung in unterschiedlicher Höhe akzeptiert wird: so bewegt sich dieser im Bereich zwischen 500,00 und 750,00 € (vgl. Anmerkung zum Urteil des AG Bad Homburg vom 01.12.2006, Az 2 C 1039/06).

Soweit dies zu Grunde gelegt wird, ist bereits festzustellen, dass der hier streitgegenständliche Schaden innerhalb dieser vertretenen Grenze liegt, sodass nicht mit aller Klarheit zu sagen ist, ob überhaupt die Bagatellgrenze unterschritten ist oder nicht.

b)

Darauf kommt es im Ergebnis jedoch auch nicht an, da diese Bagatellgrenze allenfalls für die Fälle gefunden wurde, in denen durch Einholung eines teuren Sachverständigengutachtens ein Missverhältnis zum entstandenen Schaden bestanden hat.

Hier hat der Kläger jedoch kein teures Sachverständigengutachten eingeholt, sondern lediglich einen Kostenvoranschlag, der der Beklagten in Rechnung gestellt wurde.

Nach der Überzeugung des Gerichts durfte der Kläger auch einen Kostenvoranschlag einholen. Die Kosten für den Kostenvoranschlag sind als Aufwand zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung als erforderlich und erstattungsfähig im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen.

Der Kläger hat insofern auch nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, da er die Kosten für die Ermittlung des Schadens gering gehalten hat. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger als Laie den ihm entstandenen Schaden vorab zu bewerten gehabt hätte. Die vorgelegten Lichtbilder zeigen zwar, dass der entstandene Schaden am Fahrzeug des Klägers optisch nicht gravierend ist, inwieweit diesbezüglich aber Reparaturkosten unterhalb oder oberhalb der Bagatellgrenze anfallen, vermag der Laie in der Regel nicht sicher zu beurteilen. Würde man in solchen Fällen die Erstattung des Kostenvoranschlages ablehnen, hätte dies zur Konsequenz, dass der Geschädigte bei einem Schaden im Bereich von Bagatellgrenzen oder bei kleineren Schäden entweder nicht konkret beziffern könnte oder einen Teil seines Schadens, nämlich die für den Kostenvoranschlag verauslagten Kosten, nicht ersetzt bekäme. Dies entspricht aber nicht den Grundsätzen des Schadensersatzrechts im Bereich der Verkehrsunfallhaftung (vgl. LG Hildesheim vom 04.09.2009, Az 7 S 107/09 sowie Buhrmann/HeB/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, § 249 Rnr. 144-146).

Soweit die Beklagtenseite einwendet, dass die Kosten für den Kostenvoranschlag bei der nachfolgenden Reparatur verrechnet worden wären und somit kein weiterer Schaden entstanden wäre, ist dieses Argument ebenfalls nicht mit den Grundsätzen des Schadensminderungs- und Schadensersatzrechtes in Einklang zu bringen. Zum einen gibt es keine verlässliche Erkenntnis dazu, dass in jedem Fall eine Verrechnung erfolgt wäre, zum anderen bliebe im Fall der nicht erfolgten Verrechnung der Geschädigte auf einem Teil seines Schadens sitzen.

Auch die Höhe des Kostenvoranschlages liegt nach der Erfahrung des Gerichts in ähnlich gelagerten Sachverhalten nicht über der Höhe anderer Kostenvoranschläge.

In Ermangelung eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht ist die Beklagte dem Kläger daher zum Ersatz verpflichtet.

4.

Unbestritten ist die Beklagte darüber hinaus auch zum Ersatz der außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren verpflichtet.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§708 Nr. 11, 713 ZPO.

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