Das AG Otterndorf (Niedersachsen), AZ: 2 C 181/13, verurteilt den Versicherungsnehmer der Allianz sowie den Versicher selbst mit Datum vom 30.10.2013 zur Zahlung restlichen Schadensersatzes (Reparaturkosten, Mietwagenkosten, Gutachterkosten und Abschleppkosten) und verneint die Nachbesichtigung des Fahrzeuges durch den Versicherer

Nach unserer Erfahrung versucht sich auch nach wie vor der Allianz-Versicherer sich am Haftpflichtschaden zu rekapitalisieren.

Mehrfach sahen wir uns als Kfz-Sachverständigen-Büro veranlasst, ausstehende – an uns abgetretene  – Schadensersatzansprüche des Unfallopfers beim Schadenverursacher geltend zu machen. Kürzt der Versicherer das Honorar des Sachverständigen, geschieht dies unter Missachtung der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung  VI  ZR 67-06 .  Was nichts anderes bedeutet, als dass der Versicherer den zwischen ihm und seinem Kunden geschlossenen Vertrag rechtswidrig nicht erfüllt. Wir können daher nur jedem Kfz-Haftpflicht-Versicherten egal welches Versicherers empfehlen, derartiges Verhalten der BaFinBundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – zur Kenntnis zu geben. Eine Kfz-Haftpflicht-Versicherung ist entgegen einer Kasko-Versicherung eine Pflichtversicherung. Ohne diese ist es bekanntlich untersagt, ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Quelle: CAPTAIN-HUK

Das Amtsgericht Otterndorf hat auf die mündliche Verhandlung vom 09.10.2013

für Recht erkannt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.207,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.04.2013 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz anlässlich eines Verkehrsunfalls, der sich am 13.03.2013 gegen 9.30 Uhr in Odisheim ereignete.

Bei diesem Unfall wurde der Wagen des Klägers von dem durch die Beklagte zu 1) geführten Fahrzeug, welches bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, beschädigt. Die Beklagten haften dem Grunde nach. Da das Fahrzeug nach dem Unfall nicht mehr fahrbereit war, wurde es zur Werkstatt nach Nordahn geschleppt.

Der Schaden am Fahrzeug des Klägers wurde am 13.03.2013 von den Sachverständigen … begutachtet. Dieser stellte für seine Gutachtertätigkeit 703,03 EUR in Rechnung. Die Reparaturkosten schätzten der Sachverständige auf 4.075,28 EUR netto und gaben eine Wertverbesserung mit 18,70 EUR netto an. Den Wiederbeschaffungswert bezifferten sie mit 3.800,00 EUR. Die Beklagten wurden sodann mit Schreiben vom 15.03.2013 zur Zahlung in Höhe von insgesamt 4.784,86 EUR (Reparaturkosten netto, Gutachterkosten und Schadenspauschale in Höhe von 25,00 EUR abzüglich Wertverbesserung) bis zum 26.03.2013 aufgefordert.

Das Fahrzeug wurde anschließend bei der Firma … in Nordahn repariert. Die Reparatur dauerte bis zum 19.03.2013. Da der Kläger in Neubachenbruch wohnt, wo es keine Nahverkehrsmittel, kein Taxiunternehmen und keine Lebensmittelgeschäfte gibt und er in Varel arbeitet, wurde ein Werkstattersatzfahrzeug angemietet. Das nächste Taxiunternehmen befindet sich 12 km entfernt.

Einschließlich eines Werkstattersatzwagens für die Zeit der Reparatur wurden 5.161,96 EUR in Rechnung gestellt. Des Weiteren wurden die Kosten für das Abschleppen vom Unfallort zur Werkstatt mit 339,75 EUR in Ansatz gebracht. Die Rechnungen wurden der Beklagten zu 2) mit Datum von 26.03.2013 zum Ausgleich übersandt, woraufhin diese einen Betrag in Höhe von 2.000,00 EUR ohne weitere Angaben zahlte. Zudem forderte sie den Kläger auf, sich mit ihm zwecks Besichtigung des Fahrzeugs in Verbindung zu setzen. Eine konkrete Begründung wurde für dieses Verlangen nicht benannt, lediglich dass man das Fahrzeug besichtigen wolle. Mit Datum vom 26.06.2013 bestätigten die Sachverständigen unter Vorlage entsprechender Lichtbilder, dass das Fahrzeug im Schadensbereich instandgesetzt und entsprechen lackiert worden ist. Dieses wurde der Beklagten zu 2) mit Schreiben vom 24.05.2013 angekündigt worden. Mit demselben Schreiben wurde ihr auch mitgeteilt, dass eine Weiternutzung des Fahrzeugs für weitere sechs Monate erfolgen werde.

Mit der Klageerwiderung trug die Beklagte vor, die Zahlungen der Beklagten seien zur beliebigen Verrechnung erbracht worden.

Hinsichtlich der Berechnung der nunmehr geltend gemachten Schadensersatzforderung wird auf S. 5 der Klageschrift vom 03.05.2013 Bezug genommen. Dabei wurde der Abzug neu für alt jedoch nicht brutto, d.h. in Höhe von 22,25 EUR, sondern netto abgezogen.

Die Kläger behaupten, sämtliche Arbeiten seien ordnungsgemäß ausgeführt worden, wie sie auch im Gutachten der Sachverständigen für notwendig erachtet worden sind. Sie meinen, den Beklagten stünde kein Recht auf Nachbesichtigung zu. Eine Verrechnung der geleisteten Zahlungen habe verhältnismäßig zu erfolgen.

Mit Datum vom 21.05.2013, eingegangen bei Gericht am 22.05.2013 wurde die Klage in Höhe von 2.000,00 EUR zurückgenommen, nachdem die Beklagte am 17.05.2013 einen weiteren Betrag in dieser Höhe bezahlt hatte. Die Klageschrift wurde den Beklagten am 15. bzw. 17.06.2013 zugestellt.

Der Kläger beantragt nunmehr,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 2.210,99 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.04.2013 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1) meint, da ihr Fahrzeug ordnungsgemäß versichert sei, seien sämtliche Ansprüche lediglich gegen die Beklagte zu 2) zu richten. Die Beklagten sind außerdem der Meinung, sie seien nicht zum Ersatz der Brutto-Reparaturkosten verpflichtet, da der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass das Fahrzeug auch vollständig und fachgerecht repariert worden sei und eine Nachbesichtigung nicht ermöglicht habe sowie dass er das Fahrzeug sechs Monate lang zumindest weiter zu nutzen beabsichtige. Auch habe der Kläger keinen Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten für fünf volle Tage, da nicht ersichtlich sei, dass die Reparatur fünf volle Tage gedauert habe und dass ein Wagen überhaupt erforderlich gewesen sei. Etwas erschwerte Bedingungen seien in Kauf zu nehmen gewesen. Schließlich meinen sie nunmehr, die Verrechnung sei der Beklagten zu 1) vorbehalten, nachdem die Beklagte zu 2) zur beliebigen Verrechnung geleistet hätte.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und bis auf einen geringen Teil begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 2.207,44 € aus §§ 7 Abs. 1 StVG, § 249 BGB i.V.m. §§ 1 PflVG, 115 Abs. 1 VVG auf Grund des Unfallereignisses vom 13.03.2013 in Odisheim, bei dem die alleinige Haftung der Beklagten dem Grunde nach unstreitig ist. Die Beklagten haften nach § 115 Abs. 1 S. 4 VVG als Gesamtschuldner.

Soweit die Beklagten bereits einen Teil des Schadens beglichen haben, erfolgte die Zahlung zur beliebigen Verrechnung. Dem Schuldner steht das Recht zur Tilgungsbestimmung jedoch gemäß § 366 Abs. 1 BGB nur zum Zeitpunkt der Leistung zu. Dies war hier der Fall, da die Beklagte zu 2) zunächst ohne weiteren Kommentar zahlte, sich also die Verrechnung auch nicht vorbehielt, und anschließend erklärte, sie habe zur beliebigen Verrechnung gezahlt. Nichts anderes gilt für die Beklagte zu 1), da die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer gemäß der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung umfassende Regulierungsvollmacht für die Beklagte zu 1) hatte. Somit stand es den Beklagten nicht mehr zu über die Verrechnung zu entscheiden. Macht der Schuldner von seinem Leistungsbestimmungsrecht keinen Gebrauch, geht das Recht grundsätzlich zwar nicht auf den Gläubiger über, sondern es gilt die gesetzliche Tilgungsreihenfolge. Ob nach dieser Erklärung das Recht zur Tilgungsbestimmung auf den Kläger übergegangen ist, oder ob die gesetzliche Tilgungsreihenfolge gemäß § 366 Abs. 2 BGB greift, kann letzten Endes offenbleiben. Denn im vorliegenden Fall, erklärte auch der Kläger, dass eine verhältnismäßige Tilgung der Forderungen erfolgen sollte. Dies entspricht der gesetzlichen Tilgungsreihenfolge des § 366 Abs. 2 BGB, nachdem sich diesem keine Rangfolge entnehmen lässt.

Der Anspruch ist auch begründet hinsichtlich einer weiteren Zahlung für Reparaturkosten. Soweit die Beklagte sich auf eine durch den Kläger verweigerte Nachbesichtigung beruft, ist darauf hinzuweisen, dass ein solches Nachbesichtigungsrecht in der Regel nicht besteht. Sofern das von dem Geschädigten eingeholte Gutachten nicht derart gravierende Mängel aufweist, dessen Mangelhaftigkeit auch für ihn ohne Weiteres erkennbar ist, darf er grundsätzlich seinen Schaden auf der Grundlage des von ihm eingeholten Gutachtens abrechnen. Der Geschädigte ist nach den Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes allein verpflichtet, dem Haftpflichtversicherer auf Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung des Schadensereignisses und der Höhe des Schadens erforderlich ist. In diesem Rahmen ist der Geschädigte auch zur Vorlegung von Belegen verpflichtet, als ihm die Beschaffung billiger Weise zugemutet werden kann. Letztendlich schuldet der Geschädigte daher allenfalls die Vorlegung von Belegen und nicht etwa die Vorstellung des Fahrzeuges zu einer Besichtigung durch Beauftragte der Haftpflichtversicherung (vgl. Urteil des Landgerichts Berlin vom 13.07.2011, Az.: 42 0 22/10). Die Zahlung konnte im vorliegenden Fall somit nicht im Hinblick auf eine etwaige Nachbesichtigung verweigert werden, da ein Grund, der zu einem Nachbesichtigungsrecht führen könnte, von der Beklagten nicht genannt worden ist. Zwar besteht Anspruch auf die Zahlung auch nur, wenn die Reparatur fachgerecht und vollständig im vom Sachverständigen kalkulierten Umfang oder zumindest wertmäßig wie im Gutachten durchgeführt wurde, und wenn diese Reparaturkosten konkret angefallen sind, sofern der Reparaturaufwand den Wiederbeschaffungswert um bis zu 30% (sog. 130%-Grenze) übersteigt, dies ist jedoch von den Sachverständigen im vorliegenden Fall auch unter Vorlage von Lichtbildern bestätigt worden. Konkrete Anhaltspunkte, dass die Reparatur nicht ordnungsgemäß und fachgerecht entsprechend dem Gutachten erfolgte, sind in der Reparaturbestätigung nicht genannte und nicht ersichtlich. Sofern die Beklagten daher die Reparatur bestreiten, ist dies unsubstantiiert und somit nicht beachtlich. Weiterhin besteht auch nur Anspruch auf den Integritätszuschlag, sofern eine Weiternutzung über sechs Monate erfolgt. Der Kläger hat erklärt, dass Fahrzeug sechs Monate weiternutzen zu wollen. Die tatsächliche Weiternutzung ist darüber hinaus von den Beklagten nicht bestritten worden.

Zudem hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung der Kosten für den Werkstattersatzwagen. Soweit die Beklagten die Dauer der Anmietung und der Erforderlichkeit bestreiten, ist dies nicht substantiiert. Denn der Kläger hat substantiiert vorgetragen, von wann bis wann die Reparatur gedauert hat, was von den Beklagten nicht bestritten wurde. Insofern war dann auch ersichtlich, dass die Reparatur fünf Tage gedauert hat. Ferner hat der Kläger substantiiert dargelegt, dass er auf den Wagen aufgrund seiner ländlichen Wohnlage angewiesen war. Zwar besteht bei geringem Fahrbedarf grundsätzlich kein Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten. Dabei sind allerdings stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 249 Rn. 35). Allein, der Umstand, dass der Kläger das Fahrzeug benötigte, um zu seiner Arbeitsstelle nach Varel und zum Einkaufen zu gelangen und dass ein Taxiunternehmen 12 km entfernt nur ansässig war, legt nahe, dass ein gesteigerter Fahrbedarf bestand, so dass es dem Kläger unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht nicht zumutbar gewesen wäre, auf die Anmietung eines Mietwagens zu verzichten und auf öffentliche Verkehrsmittel, die es am Wohnsitz des Klägers nicht gibt, oder Taxen zurückzugreifen. Denn allein eine Strecke nach Varel beträgt über 70 km. Inwiefern dann die Benutzung eines Taxis günstiger sein sollte oder die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel möglich sein sollte, ist zweifelhaft und von den Beklagten nicht substantiiert dargelegt.

Außerdem besteht ein Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten und auf Ersatz der Abschleppkosten sowie der Schadenspauschale in Höhe von 25,00 EUR. Die Ansprüche sind schlüssig und von den Beklagten nicht bestritten worden, so dass diese gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gelten.

Soweit der Kläger den Abzug neu für alt netto in Ansatz bringt, ist die Klage jedoch unbegründet. Da die geltend gemachten Reparaturkosten brutto in Ansatz gebracht werden, ist auch der Abzug neu für alt brutto zu veranschlagen, so dass nicht lediglich die Wertverbesserung in Höhe von 18,70 EUR abzuziehen ist, sondern in Höhe von 22,25 EUR.

Der Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB, nachdem die Beklagten mit Schreiben vom 15.03.2013 gemahnt worden sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 100, 269 Abs. 3 ZPO. Über die Kostentragungspflicht der teilweisen Klagerücknahme war gemäß § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen, da der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen war und die Klage daraufhin zurückgenommen wurde. Dies führt zur Auferlegung der Kosten zulasten der Beklagten als Gesamtschuldner. Insofern wird auf die bisherigen Ausführungen zur Sache verwiesen. Da die Beklagte nach der ersten Zahlung in Höhe von 2.000,00 EUR trotz Aufforderung keine weiteren Zahlungen geleistet hat, hat sie auch Anlass zur Klage gegeben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Der Streitwert wird gemäß § 3 ZPO auf 4.210,99 EUR bis zum 21.05.2013 und ab dem 22.05.2013 auf 2.210,99 EUR festgesetzt.

1 Kommentar

  1. sv
    Antworten

    Ein Urteil, das keine Fragen offen lässt.

    Wenn Versicherer gegenüber ihren Kfz-Haftpflichtkunden behaupten, dass diese bei Klagen gegen den Versicherungsnehmer außen vor sind, dann ist das, so wie im obigen Urteil bestätigt, glatt weg unwahr.
    Jedem Versicherungsnehmer sollte klar sein, wird der Prozess verloren, ist er derjenige, der (neben seinem Versicherer verurteilt wurde.

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